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Markus

Name: Markus
Alter: 76
Wann Beginn mit Tai Chi: 1982
Wo: Zürich bei Verena Nil, draussen im Park oder grosses Zimmer
Wann aufgehört: 1992
Wie lange pausiert: 25 Jahre
Arbeit: Töpferei, Handwerker, Bauzeichner
Yoga: ab 2000 für ein paar Jahre
Beginn Tai Chi Pina: 2017

Als 25-Jähriger habe ich durch Beziehungen in Japan eine Stelle bei einem Töpfermeister erhalten. Ich lebte 1967 vier Jahre lang in Japan. Danach bin ich in die Schweiz zurückgekehrt und habe einen Holzofen für Keramik gebaut. Von 1980 bis 1982 lebte ich nochmals in Japan, um die Brenntechnik zu lernen. Die Keramik erhält durch das Brennen mit Holz ein Muster.

Wie hast du mit Tai Chi angefangen?

Ich hatte einen Hexenschuss. Meine damalige Physiotherapeutin war auch Tai Chi Lehrerin.

Wieso hast du aufgehört?

Weiss nicht mehr; Geld … die Töpferei hat mich voll beschäftigt … allmählich ist es eingeschlafen.

Wie kann Tai Chi Menschen helfen?

Als Handwerker braucht man den Körper; Tai Chi hat mein Körperbewusstsein, die Körperhaltung, verändert. Man wird sich der Zusammenhänge der Körpermechanik bewusst. Beim Hochheben des Schwerts z.B. geht der Körper gleichzeitig mit geradem Rücken leicht nach unten. Oder wenn man sich mit dem Rücken flach gegen eine Wand stellt und leicht einsinkt, verschwindet das hohle Kreuz.

Die Europäer sind Kopfmenschen. Die Menschen Asiens haben eine andere Kultur. Sie bewegen sich anders, haben ein anderes Körperbewusstsein. Die Japaner zeigen z.B. auf den Bauch, Hara, wenn sie «ich» sagen. Tai Chi braucht den ganzen Körper, man muss sich völlig konzentrieren. Körper und Geist sind eine Einheit. So ist es auch bei der Arbeit, man kann an nichts anderes denken.

Was sind die Vorteile von Tai Chi?

Bei mir ist es so, dass sich dank Tai Chi die Gelenke optimal und präzise bewegen können. Es ist auch eine lebensphilosophische Haltung, dem Alltag friedvoll zu begegnen, nicht aggressiv zu sein. Im Tai Chi gibt es keine Gewinner und keine Verlierer, kein Siegen. Das kommt auch der Gemeinschaft zu Gute. Wenn es einem gut geht, geht es den andern auch gut.

Ich vergleiche Tai Chi mit Handwerkern, in meinem Fall mit der Töpferei. Die Asiaten lernen durch schauen. Ich den fünf Jahre bei Meistern in japanischen Werkstätten habe ich nicht ein einziges Mal eine verbale Anleitung oder Kritik erhalten, aber man durfte zuschauen. Der Körper merkte es selbst. Tai Chi hat etwas Verwandtes, wenn man Fehler macht, merkt man das. Jeder Körper ist anders, es gibt ganz feine Unterschiede.

Wem kannst Du Tai Chi weiter empfehlen?

Allen.

Wieso kannst Du Tai Chi weiter empfehlen?

1. Wir Menschen des Westens haben kein Körperbewegungs-Bewusstsein mehr. In Asien ist das ganz anders; die Menschen bewegen sich instinktiv, weil sie so aufwachsen, auf dem Boden schlafen, am Boden essen. Als Myoko, meine ehemalige japanische Freundin, 1972 hier war, empfand sie das Sitzen auf einem Stuhl unangenehm. Für sie war das keine ruhende Position, weil man nicht sitzt und nicht steht — sehr unstabil. Wir jedoch wachsen mit Stühlen und Betten auf, aber kleine Kinder können noch stundenlang auf der Wade sitzen.

2. Tai Chi hat einen meditativen Aspekt. Bei Ausführung der Bewegungsform muss oder sollte man Geist und Körper in Verbindung bringen. Man ist allein mit sich selbst, aber trotzdem verbunden mit der Welt. Ich bin geerdet, durch den Geist aber auch mit dem Himmel verbunden. Diese Konzentration kennt man im Abendland wenig oder gar nicht mehr. Eine Art Verwandtschaft besteht z.B. zum Fasten oder zum Schweigen in Klöstern. Es ist eine andere Art, in der Welt zu stehen.